Entdecken! Inspiration ist für sie eine Haltung. Wenn wir offen sind und unsere Augen, Ohren und Antennen ausrichten, kann sie überall sein, mitten im Alltag, davon ist die Autorin überzeugt. So war es auch mit dem Okapi, einem gar merkwürdigen Tier, das sie lange im Kölner Zoo beobachtete, bevor sie es in ihrem wohl bisher bekanntesten Buch verewigte. Absurditäten und Einzigartiges in Banalem zu sehen, das ist Mariana Lekys große Kunst ariana Leky kann gut mit sich allein sein, interessiert sich für Buddhismus und gibt gern Schreibkurse in Gefängnissen, weil sie es genießt, so sagt sie, „den Leu- ten zuzusehen bei etwas, das sie sich selbst nicht zutrauen.“ Die Kölnerin lebt heute in Berlin. Sie entstammt einer Familie von und Therapeuten. Ihr Vater war Pscho- analytiker und Gefängnis psychologe und ließ oft Strafgefangene nach ihrer Ent- lassung zu Hause bei sich wohnen. Des- halb fühlt sich Mariana Leky bis heute in Gefängnissen wohl. manchmal jahrelang nach, sie entstehen in ihrem Kopf, nehmen immer klarere Gestalt an. Leky hat ein Herz für schräge Typen und zutiefst menschliche Schwächen: „Ich interessiere mich für Menschen, die ein bisschen schief ins Leben gebaut sind. Die einen Sockenschuss – oder zumindest einen Sockenstreifschuss haben“, erzählte sie in der TV-Talkrunde ‚Kölner Treff‘. So wurde auch Selma geboren, eine charmante und starrköpfige ältere Dame, die in den 80er- Jahren in ihrem Haus mitten im Westerwald lebt und wie Rudi Carrell aussieht. Selma Ein „abwegiges” und scheues Tier: das Okapi Das Glück im Kleinen Ihre kreative Kraft zieht Mariana Leky, Jahrgang 1973, aus ihrer unendlichen Neu- gier. Sie beobachtet alles, vor allem kleine, scheinbar unwichtige Details – und sie liebt es, Wörter neu zu sor- tieren und irrwitzige, gewag- te und dennoch punktgenau treffende Vergleiche zu finden. Diese verwebt sie auf ganz zauberhafte, liebevolle Weise in ihren Romanen und Texten. Über ihre Figuren denkt sie ist eine der liebenswerten Hauptfiguren in Lekys Roman „Was man von hier aus sehen kann“. 2017 hielt sich das Buch 65 Wochen lang auf der Spiegel-Bestsellerliste und wur- de in 20 Sprachen übersetzt. Ende 2022 kam die bittersüße Geschichte in die Kinos: mit Corinna Harfouch als Selma. Voller Leben Ihr neuestes Buch „Kummer aller Art“ ist eine Sammlung von Kolumnen, die sie für die Zeitschrift „Psychologie Heute“ schrieb. Darin skizziert sie mit Humor, Empathie und ihrem einzigartigen Blick für die feinen Risse in der Oberfläche des Alltags die großen und kleinen All- tagssorgen ihrer Nachbarn, Familie, Freunde und Mitmenschen. Gefühle wie Enttäuschung, Liebeskummer, Angst, Wut, Hilflosigkeit betrachtet sie mit Mitgefühl, sie zerredet, se- ziert, analysiert und interpretiert sie nicht. Sie lässt sie einfach sein und breitet eine „seelische Wolldecke“ aus Worten darüber. Früher hat sie die Nächte mit viel Kaffee durchgeschrieben. Nach der Geburt ihres Sohnes ist ihr Arbeits- alltag strukturierter geworden. Wenn ihr Sohn, 15, zur Schule geht, setzt sie sich an den 29