Entdecken! B O N N I E G A R M U S „Ich wollte zu ihr aufschauen“ Schon immer träumte Bonnie Garmus davon, Schriftstellerin zu werden. Aber niemand wollte ihre Texte haben. Bis „Eine Frage der Chemie“ alles veränderte. Der Roman über eine Frau, die sich was traut, verzaubert die ganze Welt. Inzwischen ist sogar eine TV-Serie daraus entstanden. Und die Autorin wirkt so entspannt, stark und glücklich, dass man sich auf weitere tolle Bücher aus ihrer Feder freuen darf. Bonnies Geschichte zeigt, dass es sich lohnt, seine Ziele im Blick zu behalten, auch wenn die Widerstände groß sind. V on manchen literarischen Fi- guren wünscht man sich, sie wären lebendig. Man möchte mit ihnen Kaffee trinken gehen oder bei einem Glas Wein zusammensitzen, mit ihnen reden, den Alltag teilen und viel von ihnen lernen. Die Romanfigur Eliza- beth Zott ist so eine Person (siehe Lesestück auf Seite 32). Schön, stark, fordernd und rational. Eine Frau, die ihr blondes Haar mit einem Bleistift am Hinterkopf befes- tigt, Salz Natriumchlorid nennt und sich nicht darum schert, wie sie bei anderen ankommt. Eine Wissenschaftlerin, die sich traut, Ecken und Kanten zu haben, und anderen Frauen dabei helfen will, ebenso klug und mutig zu sein. Weil es für sie im Leben genau darum geht: sich die Freiheit zu nehmen, bei sich selbst anzukommen. Relevant und zauberhaft Die Autorin Bonnie Garmus ist natür- lich nicht Elizabeth Zott. Aber bei sich angekommen ist sie auf jeden Fall. Die Geschichte der eigenwilligen Chemikerin Elizabeth, die in den frühen 60er-Jahren eine Kochshow übernimmt, um sich und ihr Kind zu ernähren, hat Leserinnen und Leser auf der ganzen Welt verzaubert. Lan- ge stand sie auch in Deutschland auf den Bestsellerlisten. Denn das Buch hat nicht nur ein spannendes und relevantes Thema, es ist auch ein wunderbar lebendiger, lus- tiger und zugleich berührender Schmöker, den man vor lauter Begeisterung nach dem Lesen am liebsten gleich weiterschenkt. „Frauen wird immer gesagt, was sie zu tun haben“, erzählt Bonnie in einem Interview. „Ich wollte über eine Frau schreiben, die ihren eigenen Weg geht.“ Eine Frau, die ihr Potenzial entfaltet – anders als die Frauen zu dieser Zeit um sie herum. Damit traf Bonnie offenbar den richtigen Nerv. Ihr Roman wurde in viele Sprachen übersetzt und Hollywood machte eine Serie daraus, die jetzt auf appleTV zu sehen ist. Vielleicht ist die Geschichte der herben Chemikerin auch deshalb so über zeugend, weil sich die Autorin mit Elizabeth ihr eigenes Role Model erschuf. „Elizabeth ist mein Vorbild!“, erzählt Bonnie. „Als ich sie erfand, dachte ich: Ich wünschte, da wäre jemand, zu dem ich aufschauen könnte.“ So wird Elizabeth zu Bonnies stärkerem, emanzipierterem Ich. Eine Frau, die sich nicht duckt, sondern aufsteht und ihr Recht einfordert, wenn irgendein Kerl versucht, sie auszutricksen – mit einer Entschlossenheit, die wir alle noch immer gut gebrauchen können. Die Chemikerin Elizabeth hat das Leben ihrer Schöpferin Bonnie auf magische Weise umgekrempelt: Mit 64 Jahren wurde die ge- bürtige Kalifornierin, die noch nie ein Buch Bonnie signiert die frisch gedruckten Exemplare ihres Weltbestsellers veröffentlich hatte, zur Bestsellerautorin. Dass sie von früher Kindheit an stark stot- terte, was sich erst mit dem Erwachsen- werden verlor, hört man ihr heute nicht mehr an. Mag sein, dass diese schmerzliche Erfahrung den Wunsch anschob, Schrift- stellerin zu werden und schöne, lange Texte zu verfassen, ganz ohne Stottern und Un- sicherheit. Jedenfalls schrieb Bonnie schon mit fünf Jahren ihren ersten Roman, mit zwölf Jahren machte sie einen zweiten An- lauf – und scheiterte. Sie war eine verhei- ratete Frau mit zwei Kindern, die ihr Geld mit Wissenschaftstexten über Technik und Medizin verdiente, als sie beschloss, den Traum vom Romanschreiben wieder 29